Kyokushin Dojo Berlin
Philosophie


OSU NO SEISHIN – Vom Geist der Ausdauer


Der, der jeden Tag den Geist des “Osu” zu leben weiß, hält seinen Kopf gebeugt,

seine Augen aber richtet er nach oben.

Zurückhaltend wird er sprechen,

ein gutes Herz haben

und unermüdlich sein in der Ausübung seines Trainings.


“Ishi no ue ni san nen” so lautet ein japanisches Sprichwort und es will sagen: “drei Jahre auf einem Felsen”.

Es weist auf die Notwendigkeit, zu allen Zeiten ausdauernd zu sein – eines der wichtigsten philosophischen Anliegen des Kyokushin Karate.

Und es war Sosai Mas. Oyama, der sagte, für einen Karate-ka müsse es eigentlich heißen: “Sekijo ju nen”- zehn Jahre auf einem Felsen. Denn wo der durchschnittliche Mensch drei Jahre Ausdauer zeigt, da hat der Karate-ka es mühelos auf zehn Jahre zu bringen.


Kyokushin ist eine Kunst, die vieles zu den Zeilen des Lernenden beizutragen hätte- zu den kurz- wie zu den längerfristigen Zeilen. Tritte, Stöße und Kata zu transzendieren bedeutet, den besonderen Geist zu spüren, der einen Ausführenden umgibt. Und genau hier kann man lernen, wie die Anforderungen des Alltags mit Reife und Ausdauer zu bewältigen sind. Bleibt dem Budo-ka nur bewusst, dass sein wahres Potenzial in der ewigen Wahrheit der Ausdauer ruht, vermögen gegnerische Stöße ihn kaum jemals aus dem Gleichgewicht zu bringen. Ein erster Hinweis, wie ein Lernender diesen Geist kultiviert, mag allein schon damit gegeben sein: Die Haltung des “Was soll’s”? weiß er durch die Haltung zu ersetzen, kleinste Herausforderungen bereitwillig anzunehmen. Noch ein Liegestütz mehr, einmal noch in die Hocke gehen- bevor ich aufgebe. Aus diesen bescheidenen, aber äußerst wichtigen Anfängen wächst allmählich der Wunsch, mehr und mehr Herausforderungen anzunehmen. Und schließlich wird gelernt, das Training des Karate selbst als eine ernsthafte Herausforderung zu begreifen und so vieles über das Leben zu lernen. Man meistert die Kata und erahnt ihren Geist. Man lernt in der Kumite, von Angesicht zu Angesicht, dass Stöße und blaue Flecke geringer wiegen, als die Annahme der Herausforderung an das Selbst.


Kumite hat in vielen Kampfsportarten kaum ein Äquivalent in der Realität, oder existiert nicht einmal. Daher ist sie auch die entscheidende Herausforderung, sich mit seinen eigenen Mängeln zu konfrontieren und sie zu bekämpfen, die schon oft nicht so leicht ergibt.


Die Kumite, sie ist essentiell für das Training eines Karte-ka. Wie kann man selbstbewusst reagieren, ohne es jemals geübt zu haben? Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten, denen Beachtung geschenkt werden muss, als dass die Reaktion dem Zufall überlassen werden könnte. Wie kann man die erstaunliche Unverwüstlichkeit des menschlichen Körpers wertschätzen, ohne je Erfahrungen gesammelt zu haben? Es kann eine sehr lehrreiche Einsicht sein, wenn man seinem Gegner den vermeintlich letzten Schlag versetzt und dieser noch immer lächelnd vor einem steht. Wie kann man wirklich erwarten, eine ernsthafte Auseinandersetzung erfolgreich und mit Reife zu überstehen, ohne sich jemals in der Kumite bewährt zu haben? Die schärfste Klinge wird mit dem heißesten Feuer geschmiedet.


Diese Charakterstärke wir allein durch hartes und ausdauerndes Training erworben und ist bekannt unter dem Namen “OSU NO SEISHIN”. “OSU” als Wort hat seinen Ursprung im Begriff des “OSHI SHINOBU” und der meint: “durchhalten, während man bedrängt wird”. Das schließt den unbedingten Willen ein, sich selbst bis an die Grenzen des Erträglichen zu fordern, und derart zu lernen, jeder Art von Druck zu widerstehen. In seiner weiteren Bedeutung gestaltet sich das Wort mehrdeutiger- es beinhaltet einen Anruf an die Seele: halte Stand und lerne kämpfend, die Schwächen der menschlichen Natur, die jedem bekannt sind zu überwinden.


Vom Geiste des Osu


Sehr genau vermag das Wort “Osu” das Höchste zu umschreiben, das die Kunst des Karate- und Kyokushin im besonderen- zu bieten hat. Als weise und mutig darf gelten, wer wirklich in der Lage ist, den Geist des Osu mit jedem Wort, jedem Gedanken und jeder Tat offenbar werden zu lassen. Auch das Training sollte zuerst und zuvorderst ganz im Geist des Osu ausgeübt werden. Der Alltag schließlich, mit all seinen Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten- im Geiste des “Osu” könnte er bewusster und damit erfüllter gelebt werden. Im Grunde des Herzens bestünden dann keine Zweifel, keine Ängste und keine Sorgen.

Die japanische Haltung ist die der Ausdauer. Wo es Menschen des Westens so leicht erscheint, einfach aufzuhören, wenn es schwierig wird, weiß ein Japaner traditionell nur, dass er ausdauernd standhalten muss. Ebenso: wenn einer im Training Schmerz empfindet, sollte dies nicht das Signal zum Aufhören sein, sondern es sollte als Gelegenheit angesehen werden, durch Beharrlichkeit zu reifen.


Selbst für den Anfänger, der sich seiner eingeschränkten Fähigkeiten bewusst ist und der nun vor den Anforderungen des Trainings zurückschrecken wird, reicht es aus zu wissen, dass er durch Beharrlichkeit und den Willen sein Ziel weiter zu verfolgen, enorme körperliche, geistige und emotionale Gewinne erzielen wird. Alles was er braucht ist diese besondere Entschlossenheit. Einer der sich nicht müht und zum Aufgeben neigt, darf auf lange Sicht nicht auf Verständnis hoffen. Der Unterrichtende erkennt den, der sich bemüht und den, der es nicht tut. So wie es auf der einen Seite selbst dem Naturtalent ohne jede Anstrengung unmöglich bleibt, über ein Mindestmaß hinauszuwachsen, so vermag der weniger Begabte andererseits allein durch Entschlossenheit und Ausdauer im Training deutlich fortzuschreiten. Allein über die Entschlossenheit und den Willen zu kämpfen, wird das Herz empfänglich für “Osu und der dich Unterrichtende wird sein Bestes geben, dich zu unterstützen.


Keinen Platz für Geltungsbedürfnis und Selbstsucht kennt der Geist des “Osu”.


Wenn sich der Schmerz verdoppelt, ist es oftmals das Ego, das davor zurückschreckt, nicht der Körper- denn die Widerstandskraft des Körpers ist wahrhaft erstaunlich. Sehr zahlreich sind die Geschichten vom Ertragen übermenschlicher Strapazen in Zeiten selbstloser Notwendigkeit. Wenn man es zulässt, dass sich das Ego verletzt fühlt, wir der Körper an Kraft verlieren und aufgeben.


Überwinde zunächst die Schwäche im eigenen Herzen und erfahre dann, wie sehr dein äußerer Gegner dir unwichtig erscheinen wird.